Hingabe
Erst in den letzten Tagen wurde mir restlos bewusst, was es heisst, richtig um etwas zu bitten. Was es heisst, sich in die Natur hinein zu versenken. Was es bedeutet, das Einssein zuzulassen.
Gerade zurück aus der Gnadenkapelle Mariastein, wo ich in einem Ayurveda-Retreat verweile, wurde es wieder erfahrbar. Richtig beten, bitten, hat tief mit Demut zu tun. Nicht das „Ich“, das etwas will, also das „Ego“ bittet, sondern dieses Ich lässt sich tief zurück fallen ins grössere Selbst, in die Instanz, die bereits weiss, ins Sein. Das fühlt sich anders an. Es kommt aus Liebe, aus Demut, aus Hingabe und will nichts, auch wenn ich dann um Heilung, Ganzheit, etc. bitte.
Vor mir eine indisch-abstämmige Familie, die Tochter leicht behindert, aus ihren grossen Augen heraus leuchtend. Sie beten insbrünstig. Die Tochter seufzt, schluchzt, ist fasziniert, ist voll drin.
Danach, als ich ins Gebetsbuch schreiben möchte, sehe ich vor mir die kruxligen Worte eben dieser Tochter. Sie schrieb: Liebe Mutter, lass mich bitte eine normale Person werden, die Liebe geben kann. Bitte lass mich eine normale Person werden, die Liebe geben kann.
Wow, so gehts, genau das ist es.
Dieses andere Bitten und Beten aus dem Person-identifizierten Ich ist schnell absolviert, gesagt, gemurmelt oder auch in grossen Kirchen nachgesprochen. Doch ist es wirklich gefühlt? Ist es innerlich angeschlossen? Ist es verbunden mit dem, was wirklich geschehen will?
Da fiel mir dieser Text von Krishnamurti (Gespräche in Saanen 1966) zu, wie er die Menschen auffordert, dieses andere Schauen der Natur zu erforschen. So schnell ist gesagt: Ja ich spüre den Baum. Oder: Ja ich bin auch dieser Baum. Aber erlebst du es auch? Krishnamurti meint: „Sie schauen nicht den Baum an, sondern den Hintergrund, der auf den Baum schaut.“ Die Sicht weitet sich, die zweite Aufmerksamkeit greift, wir lösen uns ein ganz wenig auf, es wird ein bisschen „blurry“, nur ganz wenig, dafür sehr sehr weit, worin dann der Baum und ich Platz haben. Und auf einmal ist es da, dieses Gefühl von Einheit, dieses Getragensein vom Universum. Und damit verbunden, riesige Herzensfreude, Glück, Erfüllung.
Und dies ist ganz einfach, bescheiden geschehen, während ich das Frühstück im Freien einnahm, im Ayurveda-Retreat, alleine, still, niemand merkte etwas. Ausser das tieferliegende Selbst, das in sich implodierte. Und die existenzielle Natur.
Danach hörte ich ein Schaf blöken. Ich hatte die Intuition, spazieren zu gehen. Und siehe da, es war im Elektrozaun gefangen und gewürgt und ich konnte es gerade noch befreien.
Dies alles geschieht aus dem Raum des No-Mind. Es war nichts gedacht, es hat einfach dem Tao gefolgt, dem, was geschehen will. Und dieses Tao birgt Wunder in sich. Wenn wir es denn zulassen.